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Steigende Lebenserwartung – Was sind Gründe und Folgen?

Die Menschen in Deutschland werden immer älter – und bemerken es gar nicht. Dabei gibt es für die steigende Lebenserwartung zahlreiche Gründe. Umso erstaunlicher ist es, dass die Deutschen beim Schätzen ihrer eigenen Lebenserwartung deutlich danebenliegen. Im Durchschnitt leben sie laut wissenschaftlichen Studien etwa sieben Jahre länger, als sie es selbst vermuten. Doch was hat die steigende Lebenserwartung für Folgen? Eine Initiative der Deutschen Versicherer (GDV) möchte daher das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden. Die GDV-Kampagne „7 Jahre länger“ soll dazu anregen, die „gewonnene Zeit“ bestmöglich zu nutzen.

Steigende Lebenserwartung – Was sind Gründe und Folgen?

Wenn man die Eigenschaften eines typischen Deutschen aufzählen soll, schafft es der Begriff „optimistisch“ vermutlich nicht in die Top 10 der meist genannten Begriffe. Dies spiegelt sich in einer wissenschaftlichen Studie wider, die belegt, dass die Deutschen ihre Lebenserwartung deutlich unterschätzen. Und das betrifft sowohl Frauen als auch Männer. In der Studie des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) von 2012 schätzten die befragten Frauen ihre Lebenserwartung durchschnittlich auf 80,3 Jahre, die Männer tippten im Schnitt auf 75,8 Jahre. Laut Statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche Lebenserwartung für die befragten Personen jedoch bei 87,4 Jahren (Frauen) und 82,2 Jahren (Männer). Damit lagen beide Geschlechter rund sieben Jahre daneben.

Warum schätzen wir unsere Lebenserwartung falsch ein?

Dieser Pessimismus ist jedoch kein deutsches Phänomen. Eine Studie der University of California in San Francisco aus dem Jahr 2015 zeigt, dass es Menschen grundsätzlich schwerfällt, ihre (statistische) Lebenserwartung korrekt einzuschätzen. Demnach hat etwa jeder dritte Befragte mehr Jahre vor sich, als er selbst glaubt. Die vermeintlich überraschenden Ergebnisse der Studien haben ihre Gründe.

Auf der einen Seite ist die Tatsache, dass Menschen immer älter werden, ein verhältnismäßig neues Phänomen. In Deutschland betrug die Lebenserwartung für neugeborene Jungen Ende des 19. Jahrhunderts nur 45 Jahre, Mädchen hatten etwa 50 Jahre zu erwarten. Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts war ein rasanter Anstieg des Lebensalters zu beobachten. Die eigene Wahrnehmung hinkt somit der aktuellen Entwicklung „gefühlt“ hinterher.

Auf der anderen Seite vergleichen Menschen ihre kalkulierte Lebenserwartung oft mit dem Sterbealter ihrer nächsten Verwandten. „Wenn man über die eigene Lebenserwartung nachdenkt, hat man vermutlich oft die Lebensdauer von Menschen der Generation der eigenen Eltern und Großeltern im Hinterkopf“, sagt Professor Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften. Der Bezug führe aber in die Irre, da er einem Blick in die Vergangenheit gleiche. In jeder Generation habe man unterschiedliche Lebensbedingungen, so Ruß weiter.

Je später die Geburt, desto höher die Lebenserwartung

Mittlerweile hat sich seit Ende des 19. Jahrhunderts die Lebenserwartung verdoppelt. Laut aktueller Generationensterbetafel des Statistischen Bundesamtes wird ein neugeborener Junge durchschnittlich 86,4 Jahre alt. Mädchen werden sogar noch älter. Ihre Lebenserwartung beträgt schon 90,7 Jahre.

Ein Ende dieses Trends ist noch nicht abzusehen, wie Professor Ruß erklärt: „Pro Jahrzehnt gewinnen wir rund 2,5 Jahre an Lebenszeit hinzu.“ Damit lebt jede Generation (=30 Jahre) etwa 7,5 Jahre länger als die vorherige. „Die Lebenserwartung steigt schneller, als die meisten Leute denken“, sagt Ruß. Nimmt man es ganz genau, lässt sich festhalten:

Die Lebenserwartung von Neugeborenen steigt jeden Tag um gut sechs Stunden.

Im Hinblick auf die magische 100er-Marke ist James W. Vaupel, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock, sehr optimistisch. Seine These:

„Jedes zweite Kind, das heute geboren wird, erlebt seinen 103. Geburtstag.“ Kaum vorstellbar, doch woran liegt es eigentlich, dass wir immer älter werden?

7 Gründe für die steigende Lebenserwartung

Die Tatsache, dass Menschen immer älter werden, hat gleich mehrere Gründe. Die sieben Hauptursachen für die steigende Lebenserwartung sind folgende:

  • Steigender Wohlstand

Je entwickelter das Land – desto größer die Lebenserwartung. Es liegt auf der Hand: Je wohlhabender eine Nation ist, desto mehr Geld fließt in das Gesundheitssystem. Die Folge: Es steht eine bessere medizinische Infrastruktur – einhergehend mit verbesserten Behandlungs- und Therapiemaßnahmen – zur Verfügung. Ein weiterer Faktor des steigenden Wohlstands sind die Auswirkungen auf die individuellen Lebensbedingungen. Erhöhte Lebensfreude kann das Leben verlängern.

  • Medizinischer Fortschritt

Der Fortschritt in der Medizin ist ein Hauptgrund für die Verlängerung menschlichen Lebens. Besonders die Forschung und Entwicklung bei der Behandlung und Prävention von klassischen Altersleiden wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind dabei ursächlich. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, die früher noch zu den häufigsten Todesursachen zählten, gibt es in der westlichen Welt mittlerweile fast nicht mehr. „Es ist uns gelungen, den vorzeitigen Tod zurückzudrängen. Und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Wolfgang Lutz, Direktor des Vienna Institute of Demography.

  • Arbeitsbedingungen

In den Anfangszeiten der Industrialisierung waren die Arbeitsbedingungen extrem schwer und gesundheitlich bedenklich. Um 1870 waren 78-Stunden-Wochen keine Seltenheit. Freie Wochenenden gab es ohnehin nicht. Kein Wunder, dass der körperliche Verschleiß oft einen frühen Tod zur Folge hatte. Durch den Wandel in eine Dienstleistungsgesellschaft sind viele strapaziöse Arbeiten verschwunden. Die Menschen arbeiten weniger und bekommen mehr Ruhephasen. Zudem spielt das Thema Arbeitsschutz in Unternehmen eine immer größere Rolle.

  • Lebensweise

In Sachen Ernährung hat sich in den letzten Jahrzehnten ein spürbarer Wandel vollzogen. Der Trend zu einer bewussten und ausgewogenen Ernährung in Kombination mit viel Bewegung und einem Verzicht auf Giftstoffe wie Alkohol oder Tabak führt zu einem gesünderen und damit längeren Leben. Zum Vergleich: Während 1978 in Deutschland noch 43 Prozent rauchten, waren es 2013 schon weniger als 30 Prozent. Der Obst- und Gemüseverbrauch hat sich zudem in Deutschland seit 1935 auf 95,7 Kilogramm pro Kopf nahezu verdoppelt.

  • Soziale Fürsorge

War bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Armenfürsorge noch hauptsächlich Sache der Kirche, gibt es in Deutschland mittlerweile ein flächendeckendes Fürsorgesystem. Staatliche Sozialversicherungen garantieren ein menschenwürdiges Existenzminimum und schützen Notleidende vor Elend. Pflegebedürftige erhalten durch die Pflegeversicherung Leistungen, die ihnen ein Leben bis ins hohe Alter ermöglichen.

  • Hygiene

Dank verbesserter Hygienebedingungen sind gefährliche Infektionskrankheiten (Cholera, Typhus, Tuberkolose) in Deutschland nahezu verschwunden. Dabei sind sauberes Trinkwasser sowie geregelte Abwasser- und Müllentsorgung entscheidende Faktoren. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind Defizite bei der Wasserversorgung, dem Abwasser und der Hygiene für 8 Prozent der Todesfälle in den Entwicklungsländern verantwortlich.

  • Bildungsniveau

Je höher die Bildung – desto höher die Lebenserwartung. Studien belegen, dass gebildete Menschen mehr auf ihre Gesundheit achten als gering Qualifizierte.Mehr Sport, bewusstere Ernährung und mehr Vorsorgeuntersuchungen sind Maßnahmen, die sich positiv auf die Lebenserwartung auswirken. Ein höheres Bildungsniveau führt in der Regel auch zu einem besseren Verdienst und körperlich weniger anstrengenden Tätigkeiten im Beruf – ein weiterer Umstand, der zu geringen Gesundheitsrisiken führt. In Deutschland ist Bildung auch im Alter ein großes Thema. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der über 65-Jährigen an allen Volkshochschul-Kursen um 5,9 Prozentpunkte auf 15,4 Prozent gestiegen.

Die GDV-Initiative „7 Jahre länger“

„7 Jahre länger leben“ ist eine Initiative des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Zu seinen Mitgliedern zählt auch die Hannoversche Le­bens­versicherung AG. Die Initiative soll bei der deutschen Bevölkerung das Bewusstsein schärfen, dass die Menschen hierzulande immer älter werden und gleichzeitig auch länger vital bleiben.

Um dem oft falschen und negativen Bild vom hohen Alter entgegenzuwirken, will die Initiative zur Aufklärung beitragen. Gleichzeitig verfolgt sie das Ziel, einen gesellschaftlichen Dialog darüber zu führen, was die Menschen aus den „gewonnenen“ sieben Jahren machen können. Mehr Informationen zu der Initiative gibt es hier: http://www.7jahrelaenger.de/.

Dort gibt es einen Rechner, mit dem jeder Nutzer einmal selbst raten kann, wie alt er wird. Dazu muss man einfach seine Lebenserwartung schätzen und anschließend sein Geburtsjahr sowie Geschlecht eingeben. Schon erfährt man per Mausklick, wie gut oder schlecht man sein zu erwartendes Lebensalter getippt hat. Auf der Seite gibt es außerdem interessante Informationen zum Thema Rentenhöhe. Unterteilt nach Berufsgruppen und Bundesländern kann jeder nachschauen, wie viel die Rente im Jahr 2040 wert ist.

Folgen der steigenden Lebenserwartung – Rentenvorsorge für den Erhalt des Lebensstandards sollte erhöht werden

Aber welche Auswirkungen hat die steigende Lebenserwartung für jeden Einzelnen? Schließlich rechnen die meisten Deutschen gar nicht damit, dass sie im Alter sieben Jahre mehr zu überbrücken haben, als sie bislang gedacht haben. Fakt ist, dass die gesetzliche deutsche Rentenversicherung allein den Lebensstandard der Menschen in Deutschland nicht sichern kann. Um diese Versorgungslücke zu schließen, ist der Abschluss einer zusätzlichen privaten oder staatlich geförderten Altersvorsorge sinnvoll. Zu letzterer zählen beispielsweise die Rürup-Rente und Riester-Rente, die durch den Staat attraktiv gefördert werden.

Genau genommen bleiben die Menschen nach dem Renteneintritt heutzutage nicht nur länger am Leben, sondern sind aus zahlreichen Gründen auch noch länger fit. Laut einer Studie sind rund 13 Prozent der Fitnessstudio-Mitglieder in Deutschland, die regelmäßig im Kraftraum oder auf dem Laufband trainieren, über 60 Jahre alt. Mehr als drei Viertel der über 65 Jährigen fühlen sich eigenen Angaben zufolge gesundheitlich fit.

Schließlich ist das Ende des Arbeitslebens nicht gleichzeitig das Ende des gesamten Lebens, sondern nur ein neuer Lebensabschnitt. Und dieser wird für die meisten Menschen größer, als sie vermuten. So schön die steigende Lebenserwartung auch ist, die damit verbundenen Folgen sollten Sie berücksichtigen. Sorgen Sie daher rechtzeitig vor, damit Sie den verlängerten Lebensabend so verbringen, wie Sie es sich wünschen!

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